Too much, too little, too soon, too late

By Mareike Graepel

This fictional story explores abundance and excess. Originally written in German, Marieke shares the English translation too.

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Zu viel, zu wenig, zu früh, zu spät

“Du bist zu viel”, sagte sie und nahm eine Orange, drehte und wog sie in der Hand. Sie sah saftig aus, süß, köstlich. Aeveen war meine Freundin. Meine beste Freundin. Und sie sagte: “Zu viel für ihn. “ 

Ich sagte nichts. Es war nicht das erste Mal, dass sie das zu mir sagte, und sie wusste nicht, wie die Worte in meine Ohren gelangten. Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich sie daran gehindert, mein Gehirn zu erreichen. Warum können wir verhindern, dass uns Dinge berühren, dass Geschmäcker auf unseren Gaumen treffen, dass Anblicke unsere Augen verletzen, aber nicht Worte, Töne und Schreie? 

Ich wollte nicht zu viel sein und konnte nicht verstehen, wie ich das jemals sein konnte. Ich habe immer geglaubt, “viel” zu sein sei eine gute Sache. Viel Liebe, viel Glück, viel Essen, viel Wasser, viel Zukunft, viel Musik, viel, viel, viel. Alles gut, sogar großartig. Es war in der Tat ein Wort, das jede Bedeutung verlor, je länger man es betrachtete. Oder es wiederholte. Für mich war es immer ein gutes Wort. Es verwirrte mich, dass, wenn man ein weiteres kleines Adverb hinzufügte, das ganze Wort und seine Bedeutung schlecht wurden. So wie Schimmel die Orange, die sie in der Hand hielt, in eine Frucht verwandelte, die so widerlich süß war, dass sie für einen Moment zu üppig und dann zu bitter schmeckte, wie schlechter Schnaps. So wie die Begeisterung in Euphorie umschlug und wie die Euphorie in Besessenheit umschlug, wenn man sie nicht maßregelte. Wie zügelt man Liebe? 

“Ich bekomme 12 davon”, sagte sie zu dem Mann hinter den Bergen von Äpfeln, Birnen, Mandarinen, Zitronen und Limetten und – nun ja, Orangen. Ich hielt das Netz, das wir mitgebracht hatten, weit offen, und er ließ das Dutzend Orangen hineinfallen. Sie bezahlte, er lächelte, wir gingen weiter. Vorbei an den Metzgereien, dem Marmeladenstand, rechts abbiegend bei den Oliven. Die Gerüche umhüllten mich, so vielfältig und unterschiedlich sie auch waren. In einem Moment salzig und scharf, im nächsten köstlich und würzig. Sie konnten frisch und prickelnd sein wie Gras an den Fußsohlen bei einem Spaziergang durch einen Obstgarten. Oder süß wie alle Geburtstagskuchen der letzten Jahre in einem einzigen paradiesischen Geruch vereint. 

“Ich muss Seife kaufen”, sagte ich. Wir wandten uns dem Bioladen zu. Regale voller blauer und brauner Flaschen mit Ölen und Stapel von Seifenstücken warteten auf uns. Sie nahm einen Block in die Hand, dessen Farbe an die üppigen Felder in Südfrankreich erinnerte, wo Lavendel ohne jede Sorge wuchs, friedlich, auf sanften Hügeln. Und nachdem er geerntet worden war, sich mit der dicken Paste aus Olivenöl, Lorbeeröl, Wasser und Lauge aus Aleppo zu einer Einheit aus sinnlichem Glück und gesunder Wirksamkeit verband. Zutaten, die Welten voneinander entfernt sind – aus einem Land, das von Schmerz und Not, Tod und Bedrohung heimgesucht wird, und einem Land mit einer Vergangenheit, auf die es stolz ist, und einer Zukunft, die es nicht fürchtet. Sie gab mir die Seife. Als ich diese Vereinigung in dieser Markthalle in Cork, hier in Irland, in der Hand hielt und sie an meine Nase hielt, spürte ich Wut. Wenn es schlecht war, viel zu viel zu sein, wenn Zuneigung lächerlich gemacht und ignoriert wurde, wie konnten dann Krieg und Hass als akzeptabel angesehen werden? 

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Mareike Graepel at her desk. Photo submitted by author

“Ich liebe ihn. Ich tue nichts Übertriebenes. Wenn überhaupt, dann sind zu viele Menschen auf dieser Welt nicht genug für sich selbst und ihre Lieben, es tut mir leid, Aeveen. Sollten wir nicht alle Entscheidungen nur aus Liebe zueinander treffen? Wie viel entscheiden wir in unserer Welt wirklich, weil wir jemanden lieben? Wir sind so satt, oberflächlich zufrieden und verwöhnt, dass wir nicht zulassen, dass uns jemand wirklich liebt, und dass wir die Liebe nicht hegen. Auch wenn wir alle ständig ins The Gate rennen, um die neueste Liebeskomödie zu sehen, und weinen, wenn Glen Hansard von Romantik singt.“ Meine Stimme wollte wütend werden, aber ich habe sie gedämpft. Ich wollte keine Szene machen. 

Ich dachte an die Mütter, die ihre Babys auf die Flöße trugen, um dem Terror, der ihr Zuhause war, zu entkommen. Die bettelten und beteten, um eingesammelt und gerettet zu werden. Während meine Nachbarn aus der Vorstadtsiedlung zur gleichen Zeit ein Sonnenbad auf dem Oberdeck des Kreuzfahrtschiffes nahmen, wo eine Woche so viel kostete wie die jungen Mütter und ihre Kinder ihr ganzes Leben und ihre Zukunft. Deren Zukunft ganz in den Händen eines kalten und gierigen Menschenhändlers lag. Ohne Garantie, ohne Versicherung, ohne jedes Versprechen. Nur mit einer Möglichkeit, einer bloßen Chance. Während die Beschwerdelisten auf den großen weißen Schiffen mit Pools und Bars und Tennisplätzen mit Kommentaren über fehlenden Champagner in der Minibar gefüllt waren, hatten die orangefarbenen Schlauchboote nicht einmal mehr Frischwasser, als die ängstlichen Matrosen an Bord tragen konnten.

„Du hast sicher Recht. Trotzdem. Wenn du ihm das alles nicht begreiflich machen kannst – und ihr habt ja kaum Zeit, über Alltägliches zu reden – wird er sich immer wieder zurückziehen. Es ist zu komplex für ihn. “

Sie zog ihr Portemonnaie heraus, legte den Riegel, den sie zusätzlich zu meinem ausgesucht hatte, auf den Tresen und übergab der jungen Syrerin, die uns anlächelte, 20 Euro. Auf ihrem Namensschild stand Akilah. Sie schaute auf die Preisschilder unter den Seifenstücken.

“12,24 Euro, bitte, für beide. “ 

Aeveen nahm die Seifenstücke und reichte mir eines. Ich steckte es in meine Handtasche, neben meiner Geldbörse, meinem Regenschirm, meinen Haus- und Autoschlüsseln, meiner Handcreme, meinem Handy, meinem Buch.

“Danke, Akilah”, sagte ich. “Ich wünsche Ihnen einen schönen Samstag. “

“Danke, ebenso.“ Sie hatte aufgeblickt, als sie hörte, dass ihr Name laut gesagt wurde, und lächelte wieder. Sie war hier angekommen. Sie war lebendig. Ihre Schwestern, ihre Freunde vielleicht nicht. Wenn Ihr jemals im English Market seid, haltet Ausschau nach ihr und fragt sie vielleicht. Ich habe mich nicht getraut. Was, wenn sie es nicht waren? War ich jetzt ein rücksichtsloser Mensch? War ich zu sehr mit meinen eigenen Problemen beschäftigt? Trotzdem nickte ich nur und wandte mich ab. 

Wir verließen den Stand, ließen den französischen Bäcker zu unserer Linken hinter uns und stiegen die Treppe zum Café hoch über der Eingangshalle hinauf, bestellten einen Chai Latte und einen Cappucino, nahmen auf einer der Holzbänke Platz, die auf dem Balkon über all den Truthähnen und Hühnern und den roten Paprikas und Chilis standen, die nur darauf warteten, gekauft und zubereitet und von Freunden und Partnern und geliebten Menschen in Cork City und County genossen zu werden. 

“Weißt du was, ich will doch noch ein Croissant.” Aeveen stand wieder auf. 

“Nur zu”, sagte ich. Sie nahm eins mit Mandeln oben drauf, überzogen mit Puderzucker. Und ich beneidete sie darum, dass sie das essen konnte, ohne sich Sorgen um ihre Figur zu machen, die anscheinend nie von irgendwelchen kalorienreichen Sünden beeinträchtigt wurde. Als sie sich wieder hinsetzte, sah ich sie an und sagte:

“Ich bin nicht zu viel. In meiner Welt bin ich nicht einmal genug.“

“Ja, okay, meinetwegen”, sagte sie. “Aber du bist zu früh für ihn. Doch es ist noch nicht zu spät, auf sich selbst aufzupassen.“

Ich hob die Tasse an meine Lippen und nippte an dem Chai-Tee, wobei der Zimt an meiner Oberlippe klebte. Ich sah meine Freundin an und spürte, dass sie ebenso recht hatte wie das unmöglich war.

“You are too much,” she said, and picked up an orange, turning it in her hand, weighing it. It looked juicy, sweet, delicious. Aeveen was my friend. My best friend. “Too much for him.”

I said nothing. It wasn’t the first time she said this to me, and she did not know how the words sounded in my ears. If I could have, I would have stopped them reaching my brain. Why is it that we can stop things from touching us, from tastes hitting our palates, from sights hurting our eyes but not words and sounds and screams?

I didn’t want to be too much and wasn’t able to understand how I ever could be. I always believed being much was a good thing. Much love, much happiness, much food, much water, much future, much music, much, much, much. All good, great even. It was in fact a word that lost all meaning the longer you looked at it. Or repeated it. It had always been a good word to me. It confused me that by adding another little adverb to it, the whole word and its meaning turned bad. Like mold would turn the orange she was holding into a fruit that was so sickeningly sweet, it would taste too rich for a moment and then too bitter, like bad booze. Like enthusiasm turned into euphoria and like euphoria turned into obsession if not reigned in. How do you reign in love?

“I am getting 12 of these,” she said to the guy behind the piles of apples, pears, tangerines, lemons and limes and – well, oranges. I held the net we brought wide open, and he lowered the dozen oranges into it. She paid, he smiled, we walked. Past the butchers, the jam stall, turning right at the olives. The smells embraced me, in their variety and difference. Salty, sharp in one instant, mouth-watering the next. They could be fresh and tingling like grass on the soles of your feet on a walk across an orchard. Or sweet like all your birthday cakes over the years combined into one big wonderland of a smell.

“I have to get soap,” I said. We turned towards the organic shop. Shelves full of blue and brown bottles of oils, and stacks of soap bars waited for us. She picked up a block, coloured like the lush fields in the south of France where lavender grew with no care in the world. Peaceful on rolling hills it grew, to, after being harvested, be paired with the thick paste of olive oil, laurel berry oil, water, and lye from Aleppo to form a union of sensual happiness and healthy effectiveness. Ingredients from worlds apart – from a country stricken with pain and trouble and death and threat, and a country with a past it was proud of and a future it did not fear. She gave the soap to me. Holding this union in my hand, in this Market Hall, in Cork, in Ireland, and lifting it to my nose, I felt anger. If being much too much was bad, if affection was ridiculed and ignored, how could war and hatred be seen as acceptable?

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Mareike Graepel at her desk. Photo submitted by author.

“I love him. I don’t do anything over the top. If anything, too many people in this world are not being enough for themselves and their loved ones, I’m sorry, Aeveen. Should we not all make decisions purely out of love for one another? In our world, how much do we really decide because we love somebody? We are so full, superficially satisfied and spoiled, we don’t let anyone really love us and we don’t encourage love. Even though we all run into The Gate for the latest rom-com all the time and cry when Glen Hansard sings of romance.” My voice wanted to grow angry but I lowered it. I didn’t want to cause a scene.

I thought of the mothers who carried their babies onto rafts to get away from the terror that was their home. Who begged and prayed to be picked up and saved, while my suburban estate neighbours sunbathed on the top deck of the cruise liner at the same time, where a week cost them as much as the entire life and future of those young mothers and their children. Whose future lay entirely in the hands of some cold and greedy trafficker. Without a guarantee, with no insurance, with no promise at all. With nothing but a faint hope, merely a chance. While the complaint lists on the big white ships with pools and bars and tennis courts were filled with comments about missing champagne in the mini bar, the orange rubber dinghies had no more freshwater than the fearful sailors on board could carry.

“You are right, no doubt. Still. If you cannot make him see all this – and you barely have enough time to talk about everyday stuff – he will keep pulling away. It is too complex for him.”

She pulled out her wallet, laid the bar she picked out in addition to mine on the counter and handed 20 Euro over to the young Syrian woman, who smiled at us. Her name tag read Akilah. She checked the price stickers underneath the soap bars.

If anything, too many people in this world are not being enough for themselves and their loved ones…

“€12.24, please, for both.“

Aeveen took the bars and handed one to me. I put in my handbag beside my wallet, my umbrella, my house and car keys, my hand cream, my mobile, my book.

“Thank you, Akilah,” I said. “Have a nice Saturday.”

“Thank you, you too.” She looked up, hearing her name said out loud, and smiled again. She had arrived here. She was alive. Her sisters, her friends might not be. If you are ever in the English Market, look out for her and maybe ask her. I didn’t have the guts. What if they were not? Was I a careless person now? Too full of my own problems? Yet, I just nodded, and turned away.

We left the stall, got past the French baker on our left and climbed the stairs to the café high above the entrance hall, ordered a Chai Latte and a Cappuccino, took seats on one of the wooden benches, which were standing on the balcony over all the turkeys and the chickens, and the red peppers and the chillies, only waiting to be bought and prepared and enjoyed amongst friends and partners and loved ones all over Cork City and County.

“You know what, I also want a croissant.” Aeveen stood up again.

“Go ahead,“ I said. She would get one with almonds on top, covered in icing sugar. And I would envy her that she could eat this without worrying about her figure, who seemed to be never affected by any kind of calorie-laden treat. As she sat back down, I looked at her and said:

“I am not too much. In my world I am not even enough.”

“Yes, okay, I can give you that,” she said. “But you are too soon for him. Yet, it is not too late to start minding yourself.”

I lifted the mug to my lips and sipped the Chai tea, cinnamon sticking to my upper lip. I looked at my friend and felt she was as right as it was impossible.

If being much too much was bad, if affection was ridiculed and ignored, how could war and hatred be seen as acceptable? 

About the author:

Marieke Graepel  is a journalist, author, translator and PR adviser. Mareike currently works as an Ireland correspondent for a women’s magazine and for the German News Agency dpa. Marieke is also writing her first crime novel.

Marieke explains, “My life (and heart) is divided up between Germany and Ireland, where I used to live for years and to where I am now lucky enough to return for work and private reasons regularly. As a mother of two lovely daughters (9, 13), a wife of a kind Kinsale man and as the owner of cute dog I have to find time to work at the most unusual times sometimes – but writing keeps me alive, so sometimes other luxuries (like sleep) have to give…”